Geschichte

die Idee

 Gerhard Vynhoven
Ölgemälde von 1650, Ausschnitt  [11]

Zwischen den Jahren 1655 und 1660 ließ Gerhard Vynhoven (1596-1674) die Kapelle Klein-Jerusalem nach einer, vielleicht sogar zwei Reisen ins Heilige Land in der Nähe seines Geburtshauses in der Eicker Heide bei Neersen erbauen. Als Vikar in Anrath und Pfarrer in Osterath und – nach der Zerstörung seiner Kirche in Osterath – als Feldkaplan Jan von Werths hatte er die Verwüstungen und die Leiden des Dreißigjährigen Krieges durchlitten. Mit seinem elterlichen Erbe und seinem Sold begann er 1655 mit dem Bau einer Wallfahrtskapelle, einer Schule und eines Rektoratshauses.

Seine Idee bestand aus einer möglichst getreuen Nachbildung der heiligen Stätten von Bethlehem und Jerusalem, um so den von Not und Leid erschütterten Menschen nach dem großen Krieg “die ersten und die letzten Tage des Herrn anschaulich vor ihre Seele zu stellen”. Die Betrachtung des Lebens und Leidens Jesu sollte dem betenden Wallfahrer Antwort und Deutung auf die oft bedrängende Frage nach dem Sinn seines persönlichen Schicksals geben.

Im 17. und 18 Jh. erfreute sich die Wallfahrt großer Beliebtheit am gesamten Niederrhein.

Krisenzeiten

Die Inschrift von 1772 zeugt von einer ersten ernsten Krise Klein-Jerusalems. Rund 100 Jahre nach dem Tode des Stifters war es nicht mehr möglich, aus der Stiftung, mit der er sein Werk auf Dauer hatte sichern wollen, die Kirche instand zu halten. Das Gebäude war stark beschädigt.

Wegweiser von 1663  [12]

Die Minoriten, die in Neersen eine kleine Niederlassung besaßen, retteten Kapelle und Wallfahrt. Sie richteten aber Klein-Jerusalem nicht einfach wieder her, sondern erweiterten das Gebäude beträchtlich, nach Westen um ein weiteres Fenster, in der Höhe um mehr als einen Meter. Die Oberkirche dürfte erst jetzt die gewölbte Decke erhalten haben. Ein in der Oberkirche aufbewahrter Abdruck des Wegweisers, den Vynhoven 1663 hatte drucken lassen, um für seine Wallfahrt zu werben, zeigt uns das ursprüngliche Aussehen der Kapelle.

Eine zweite Krise erlebte Klein-Jerusalem in der Franzosenzeit. Schon 1794 hatten französische Truppen das linke Rheinufer besetzt, durch den Friedensvertrag von Lunéville kam es 1801 an Frankreich. Die geistlichen Güter gingen durch Gesetz vom 9.6.1802 weitgehend in den Besitz des Staates über, so auch das Neersener Minoritenkloster und die Kapelle Klein-Jerusalem. Sie diente französischen Besatzungstruppen als Heumagazin. Ende 1803 wurde die Kapelle für 1000 Francs verkauft, im April 1804 erwarb sie der Neersener Gastwirt Becker aus dritter Hand für 3000 Francs im Auftrag des Kirchenvorstands. Die Wallfahrt blühte wieder auf. Als aber Flagellanten (Geißelbrüder) 1810 an der Kapelle auftraten, verbot die französische Regierung die Wallfahrt, drohte sogar mit dem Abriss des Gebäudes.

Im Jahre 1814 kam das Rheinland und damit auch Neersen an Preußen. Es sollte aber noch fünf Jahre dauern, bis die Wallfahrt wieder gestattet wurde und eine neue Blüte erlebte. Von dieser Blüte künden Prozessionsschilder aus der Gegend von Geldern am Hl. Grab.

Restaurierung

In den Jahren 1979-82 wurde die Kapelle dank der Unterstützung des Landes, der Stadt Willich, des Bistums Aachen und vieler Spender aus der Gemeinde St. Maria Neersen einer umfassenden Restaurierung unterzogen. Dank gebührt auch den Damen und Herren des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege, das die Arbeiten wissenschaftlich begleitete. Es gelang, der Oberkirche die Fassung von 1772 wiederzugeben. In der Unterkirche wurde die Gestaltung freigelegt, die der Erbauer der Geburtsgrotte und dem anschließenden Andachtsraum gegeben hatte.


 neues Bild einer Kreuzwegstation   [10]

Zur 350-Jahrfeier wurden die sieben gestohlenen Kreuzwegbilder durch neu angefertigte ersetzt.

Klein-Jerusalem Heute

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 Weltjugendtag 2005  [10]

Seit der Restaurierung 1979-82 erfreut sich die Kapelle eines ständig wachsenden Interesses in der Öffentlichkeit. Tausende von Besuchern erfeuen sich jährlich an diesem einzigartigen Bauwerk des Niederrheins. Sie kommen einzeln oder in Gruppen, als Pilger unserer Zeit, um zu beten und ihre Anliegen Gott vorzutragen oder um ein Denkmal der Geschichte zu besuchen, das entstanden ist aus dem Erlebnis eines schrecklichen Krieges und dem Geist der Gegenreformation.

Jeden Freitag um 18.30 Uhr findet ein Gottesdienst statt. An den Festen Christi Himmelfahrt, Mariae Geburt und am Antoniustag wird die Hl. Messe gefeiert, außerdem eine Mitternachtsmette Heiligabend in der Geburtsgrotte sowie eine Trauermette am Karfreitag. Eine Andacht mit Kindersegnung wird am Fest der Unschuldigen Kinder (28. Dezember) gehalten. Am Himmelfahrtstag finden viele Fußpilger den Weg zur Kapelle.

Seit 1983 ist Klein-Jerusalem am Samstag vor Palmsonntag das Ziel einer Sternwallfahrt der St. Matthiasbruderschaften des Bezirks linker Niederrhein. Eine neue Tradition entstand.

Pfarrer Theo Wolf schrieb im Januar 1984 in der 1. Auflage dieses Kapellenführers: “Mögen auch die vielen Besucher im Laufe des Jahres durch die Schönheit der Räume und der Darstellungen dazu angeregt werden, in Gebet und Betrachtung ihr Leben mit dem Leben und Leiden Christi zu verbinden. So wird die Idee des Erbauers durch die Zeiten lebendig bleiben”.

Diesem Ziel ist die 1981 gegründete Interessengemeinschaft Kapelle Klein-Jerusalem e.V. verpflichtet. Sie sieht also ihre Aufgabe nicht nur darin, Gelder für immer wieder anfallende Unterhaltungs- und Restaurierungsarbeiten zu sammeln.